Regionalverkehr 3/2006

Der Bürgerbahnhof Landsberg (Lech)

Deutschlands einziger, vollständig privat betriebener Bahnhof steht in Landsberg (Lech). Am 9. März 2005 wurden das historische Empfangsgebäude und das komplett neu gestaltete Bahnhofsumfeld nach einer mehrmonatigen Bau- und Renovierungsphase wiedereröffnet. Unter einem Dach finden sich eine Mobilagentur mit Fahrkartenverkauf, Reisebüro, Touristinformation, Fahrrad- und Autovermietung, ein geheizter Wartebereich mit WC-Anlagen, ein Bistro mit einem großen Angebot an Speisen und Getränken sowie eine Verkaufsfläche für Bücher, Zeitschriften, Reisebedarf und Lebensmittel, darunter Produkte aus ökologischem Anbau. Betreiber des neuen Bürgerbahnhofs Landsberg ist die ideal mobil AG, nach eigenen Angaben ein mittelständischer Mobilitätsdienstleister aus München. An der Spitze des Familienunternehmens steht Thomas Walter, der lange Jahre in Landsberg wohnte und den Niedergang seines Bahnhofs, der typisch für viele Kleinstadtbahnhöfe dieser Größe ist, miterleben musste.

Auch in Landsberg hatte die Deutsche Bahn AG den Fahrkartenverkauf auf Automaten reduziert und sich aus der Beratung vor Ort zurückgezogen, das Empfangsgebäude stand teilweise leer und bot ein trauriges Bild – trotz gutem Verkehrsangebot und idealer Verkehrsverknüpfung. Die ideal mobil AG hatte das Potenzial des zentral zur Stadt gelegenen Bahnhofs, von dem täglich viele Reisende nach München und Augsburg pendeln, jedoch erkannt. Sie erwarb das Empfangsgebäude von der Bahn und gab ihm den alten Glanz, Lebendigkeit und Bahnhofsservice zurück. Das Projekt wurde in enger Abstimmung und mit Unterstützung der Stadt Landsberg, des Landkreises Landsberg und der DB AG geplant und umgesetzt. Die Investitionen für Erwerb und Umbau sowie den Betrieb der Bahnhofshalle trugen die ideal mobil AG bzw. deren Tochtergesellschaft Bahnhof Landsberg KG. Die öffentliche Toilettenanlage sowie die Bike-and-Ride-Anlage wurden von der Stadt Landsberg und dem Freistaat Bayern aus der Städtebauförderung und dem Schnittstellenprogramm bezuschusst.

Rund 1,7 Millionen Euro investierte die ideal mobil AG in den neuen Bürgerbahnhof, der nicht nur beim Um- und Einsteigen in Bus oder Bahn ein Anlaufpunkt ist. Das Nutzungskonzept, das zusammen mit dem Münchner Büro der Agentur BahnStadt entworfen wurde, basiert auf der Kombination von kommerziellen und nichtkommerziellen Angeboten, wobei der Betrieb aus einer Hand attraktive Öffnungszeiten ermöglicht und die Wirtschaftlichkeit garantiert, auch wenn manche Serviceangebote nicht kostendeckend sind. Als Gewinnbringer und zu einer Konkurrenz für die Restaurants im Ort ist das einladend gestaltete Bistro mit seiner liebevoll und reichhaltig zusammengestellten Speisekarte herangewachsen. Die Gerichte werden frisch zubereitet, und an warmen Tagen lädt die Terrasse auf einem alten Bahnsteig zu einer Tasse Kaffee oder einem Bier ein. Schon Brötchenholer können morgens am Bahnhof vorbeischauen, der montags bis freitags ab 6 Uhr und an Wochenenden und Feiertagen ab 8 Uhr geöffnet hat. Abends schließt der Bürgerbahnhof erst um 21 Uhr, wobei die Schalter der Mobilagentur mit Fahrkartenverkauf usw. unter der Woche »nur« bis 19 Uhr und an Samstagen bis 14 Uhr geöffnet sind. Mit Abendveranstaltungen und Vorträgen soll das Angebot noch weiter ausgebaut werden. 15 neue Arbeitsplätze sind entstanden.

Parallel zum Empfangsgebäude wurde von Stadt und Land das Bahnhofsfeld umgestaltet und mit einem neuen Busbahnhof zu einer Schnittstelle mit kurzen Wegen aufgewertet. Vom Bahnsteig, der mit seiner Höhe von 55 Zentimetern ein stufenfreies Einsteigen in die auf der Strecke Augsburg – Kaufering – Landsberg (Lech) eingesetzten Desiro-Triebzüge des Herstellers Siemens Transportation Systems (TS) bietet, sind es nur wenige Meter zu den Stadtbussen. Sieben teils überdachte Bussteige stehen zur Verfügung, von denen die beiden dem Empfangsgebäude am nächsten liegenden mit dem Kasseler Sonderbord des Herstellers Profilbeton ausgestattet sind. Hier halten ausschließlich niederflurige Citaro-Linienbusse, die auf dem Landsberger Stadtbusnetz eingesetzt werden. Die reifenschonenden Sonderborde erleichtern dem Fahrer nicht nur ein dichtes Heranlenken an den Bussteig, sondern ermöglichen den Fahrgästen beim Einsatz der Kneeling-Einrichtung auch das weitgehend stufenlose Einsteigen. Die übrigen Bussteige werden von hochflurigen Regionalbussen angefahren, sodass an diesen nur eine niedrige Bordsteinkante zum Einbau kam. Die nicht überdachten Bussteige sind mit verglasten Unterständen ausgestattet. Alle Bussteige verfügen über große, gut lesbare Fahrtzielanzeigen des Herstellers LAWO Mark IV Industries, taktile Leitstreifen erleichtern auch sehbehinderten Reisenden die Orientierung. Eine zentral vor dem Empfangsgebäude aufgestellte Anzeigetafel listet die Abfahrtszeiten aller Züge und Busse auf.

Die sehr nutzerfreundlich gestaltete Schnittstelle bietet nur wenig Anlass zur Kritik. Unverständlich ist der Einbau von Pflastersteinen vor dem Empfangsgebäude und auf den Rampen zu den Bussteigen, die eine Stolperfalle für Gehbehinderte und ältere Menschen mit Rollatoren sind. Sehbehinderte dürften sich über das Einheitsgrau von Bahn- und Bussteigmöblierung ärgern, eine kontrastierende Farbgebung zumindest der Infokästen wäre wünschenswert. Recht trostlos wirkt zudem das brachliegende Gleisfeld des Bahnhofs, nachdem die DB AG sämtliche Schienen bis auf das Stumpfgleis am Bahnsteig und ein durchgehendes Streckengleis in Richtung Süden herausgerissen hat. Die Strecke aus Kaufering führte über Landsberg (Lech) hinaus ursprünglich bis Schongau, wird heute aber nur noch im Güterverkehr betrieben.

Auf dem 4. Bayerischen Nahverkehrskongress, der am 23. März 2006 in München stattfand, zeichnete die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) die ideal mobil AG mit dem diesjährigen ÖPNV-Preis aus. Hervorgehoben wurden die Entwicklung eines »wirtschaftlich tragfähigen Konzepts« und dessen persönliche Umsetzung durch Thomas Walter. Und: »Entstanden ist ein in jeder Beziehung vorbildlicher Bahnhof.«

Weitere Infos zum Bürgerbahnhof Landsberg (Lech) unter www.bahnhof-landsberg.de.

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