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01.08.2015 • Schöne mobile Welt

Schöne mobile Welt

Ein neuer Betreiber, fabrikneue Triebzüge und Fahrscheinautomaten der jüngsten Generation geben der Bahnlinie von Lüneburg nach Dannenberg Ost ein modernes Gesicht. Mit Andreaskreuzen gesicherte Übergänge, eine Höchstgeschwindigkeit von 60 Stundenkilometern und viel zu niedrige Bahnsteige verraten aber, dass die Entwicklung auf der Wendlandbahn von Lüneburg nach Dannenberg Ost schon vor Jahrzehnten zum Stillstand kam. Die Fahrt im klimatisierten Triebzug gleicht einer Zeitreise: Großzügige Bahnhofsareale, repräsentative Empfangsgebäude, weite Kurvenradien und die zweigleisige Trassierung erinnern daran, dass die 53 Kilometer lange Nebenstrecke bis Ende des Zweiten Weltkriegs ein Teil der nie komplett realisierten Fernbahn Berlin – Bremerhaven war. Immer wieder drohte dem nach der deutsch-deutschen Teilung in Niedersachsen verbliebenen Reststück das Aus, erst seit Ende 2014 ist der Personenverkehr bis 2029 gesichert.

Der neue Betreiber

Seit dem Fahrplanwechsel am 14. Dezember 2014 ist die erixx GmbH auf der Wendlandbahn unterwegs, die jetzt als RB 32 bezeichnet wird. Die Strecke ist Teil des Harz-Heide-Netzes, zu dem auch die Verbindungen Hannover – Hildesheim – Bad Harzburg (RE 10), Braunschweig – Vienenburg – Goslar / Bad Harzburg (RB 42/43) sowie Braunschweig – Gifhorn – Uelzen (RB 47) gehören. Zum Einsatz kommen 28 fabrikneue Coradia Lint 54 aus dem Fahrzeugpool der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen mbH (LNVG), die an die erixx GmbH vermietet werden. Die Triebzüge des Herstellers Alstom sind mit EAO-Türtastern der Baureihe 57 und Kiel-Sitzen vom Typ Trend ausgestattet. Ein optisches und akustisches Fahrgastinformationssystem des Herstellers GSP Sprachtechnologie GmbH informiert in Echtzeit über den Reiseverlauf bzw. Anschlüsse in den Knotenbahnhöfen. Gewartet werden die zweiteiligen Coradia Lint im erixx-Betriebswerk in Uelzen. Die erixx GmbH ist eine Tochter der Osthannoverschen Eisenbahnen AG (OHE), die überwiegend zur Netinera-Gruppe gehört. Seit Ende 2011 ist erixx mit 27 Coradia Lint 41 auf dem Heidekreuz Buchholz – Soltau – Hannover und Bremen – Soltau – Uelzen unterwegs. Der Verkehrsvertrag im Harz-Heide-Netz läuft bis 2029.

Auf der Wendlandbahn unterwegs

Die neuen, barrierefrei ausgelegten Triebzüge kontrastieren stark mit der in die Jahre gekommenen Infrastruktur der Wendlandbahn. Die RB 32 startet im Westteil des Lüneburger Hauptbahnhofs, der 1874 als eigenständiger Bahnhof eröffnet worden war. Kurz nach Verlassen der Station wird die Hauptstrecke Hamburg – Hannover auf einer stählernen Fachwerkbrücke überquert, wenige Kilometer später folgt eine in den 1970er Jahren neu erichtete Brücke über den Elbe-Seitenkanal. Unterwegs wird kurz in Wendisch Evern, Vastorf und Bavendorf gehalten, ehe nach einer knappen halben Stunde Fahrt der Bahnhof Dahlenburg erreicht ist. Hier existieren noch Ausweich- und Anschlussgleise – Dahlenburg ist der einzige Bahnhof im Verlauf der Strecke, in dem noch Zugkreuzungen möglich sind. Flügelsignale und Schranken werden von Hand bedient. Über den kleinen Haltepunkt Neetzendorf, dessen unbefestigter Bahnsteig eigens für die neuen Coradia Lint verlängert wurde, geht es nach Göhrde, wo das bestens gepflegte Empfangsgebäude mit einem Obergeschoss in Fachwerkbauweise ins Auge fällt. Nach Passieren des mitten im Wald gelegenen Haltepunkts Leitstade ist der ehemalige Bahnhof Hitzacker erreicht, in dem ebenfalls alle Nebengleise abgetrennt wurden. Die Fahrt endet nach einer Stunde und sieben Minuten im Bahnhof Dannenberg Ost, dessen ehemalige Knotenpunktfunktion – hier zweigten Strecken nach Uelzen und Salzwedel ab – anhand mehrerer Bahnsteige noch gut zu erkennen ist.

Mit der Barrierefreiheit hapert es noch etwas: Keiner der Bahnhöfe entlang der Wendlandbahn ist barrierefrei ausgeführt. Die Bahnsteige sind durchweg zu niedrig und meist unbefestigt, in Dahlenburg, Hitzacker und Dannenberg Ost werden mobilitätseingeschränkte Fahrgäste durch eine holprige Pflasterung mit Katzenkopfsteinen herausgefordert.

nicht barrierefrei

Täglich wird im Dreistundentakt gefahren, montags bis samstags sind fünf, sonn- und feiertags vier Zugpaare unterwegs. Für den Betrieb reicht ein Fahrzeug aus. Um die Strecke mit einem Triebzug auch zweistündlich bedienen zu können, müsste die Höchstgeschwindigkeit auf 80 bis 100 Stundenkilometer erhöht werden – nur so ließe sich die Reisezeit unter eine Stunde drücken. Hierfür wären erhebliche Investitionen erforderlich, da zahlreiche Bahnübergänge beschrankt und mit Lichtzeichenanlagen ausgestattet werden müssten. Das Fahrgastaufkommen ist überschaubar: Unter der Woche sind überwiegend Schüler unterwegs, an Wochenenden Ausflügler. In Dahlenburg, Hitzacker und Dannenberg Ost sind Stellwerke bzw. Diensträume mit Personal besetzt, weil Schranken, Signale und/oder Weichen zu bedienen sind. Bei maximal fünf Zugpaaren täglich dürfte diese Form der Betriebsführung alles andere als wirtschaftlich sein.

Besonderer Endbahnhof

Vorzeigebahnhof der Wendlandbahn ist die Endstation Dannenberg Ost, die bis Ende 2013 zu einer ÖPNV-Drehscheibe zwischen Bahn, Bus, Fahrrad und Elektromobilen ausgebaut wurde. Bereits 2009 hatte die Stadt Dannenberg das 1874 im klassizistischen Stil errichtete Empfangsgebäude von der DB gekauft. Mit Fördermitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) wurde das Bauwerk mit dem markanten Turm, dessen straßenseitige Silhouette an die Umrisse einer Dampflok erinnert, komplett saniert und barrierefrei ausgebaut. In Zusammenarbeit mit den Diakonischen Einrichtungen Wendland, die das Gebäude für 50 Jahre von der Stadt gepachtet haben, entstand eine moderne Bürgerbegegnungsstätte mit Bistro, Veranstaltungs- und Büroräumen sowie einer Jugendwerkstatt. Das im Erdgeschoss gelegene Bistro fungiert zugleich als Warteraum, sodass das Empfangsgebäude wie bisher auch für Bahnreisende offensteht. Insgesamt wurden für die Sanierung des Gebäudes rund 1,1 Millionen Euro investiert, davon 772.000 Euro aus EFRE-ESF-Mitteln. Zeitgleich wurde auch das Bahnhofsumfeld aufgewertet: Vor dem Empfangsgebäude entstanden eine Wendeschleife für Pkw und Busse sowie zahlreiche Bike-and-ride- und Park-and-ride-Plätze, darunter zwei Stellplätze für Elektromobile mit Ladesäulen. Der Landkreis Lüchow-Dannenberg stellt zwei Elektromobile sowie 20 Elektrofahrräder zur Verfügung, damit Bahnreisende auch am Zielort mobil sind.

nicht barrierefrei

Bedauerlich: Die schöne mobile Welt endet wenige Meter vor dem Zug – an dem jahrzehntealten Stolperbahnsteig, dessen Höherlegung und Modernisierung dringend geboten ist. Schade, dass Bahn, Kreis und LNVG hier nicht besser kooperiert haben.

Den kompletten Artikel lesen Sie in Regionalverkehr 05/2015.
Erscheinungstag: 27.08.2015

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