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28.04.2021 • TEE-Panoramawagen saniert

Unter Eisenbahnfreunden sind sie eine rollende Legende: die fünf Panoramawagen der Gattung AD4üm-62 und AD4üm-63, die 1962 und 1963 für die Fernschnellzüge Rheingold und Rheinpfeil der damaligen Deutschen Bundesbahn beschafft wurden. In der Mitte verfügen die 26,4 Meter langen Wagen, deren Erscheinungsbild an US-amerikanische Dome Cars erinnert, über ein verglastes Panoramadeck. In diesem Bereich sind die Fahrzeuge doppelstöckig: Auf dem Oberdeck laden 22 teilweise drehbare Sitze zum Platznehmen ein, im Unterdeck befinden sich Gepäck- und Postabteile sowie ein Maschinenraum. Die einstöckigen Wagenenden sind mit einer Bar bzw. mit drei Fahrgastabteilen ausgestattet. Abgeliefert wurden die Panoramawagen in einer edlen Farbgebung in Kobaltblau und Beige. In den Fernschnellzügen Rheingold und Rheinpfeil liefen sie zwischen Hoek van Holland und Zielen in der Schweiz bzw. von Dortmund nach München. 1965 stufte man beide Züge zum Trans-Europ-Express (TEE) herauf, und das Farbschema wechselte auf Rubinrot und Beige.

1971 wurden die TEE-Züge in Deutschland in das von der Bundesbahn neu entwickelte Intercity-Netz integriert – hier waren die Panoramawagen ein Fremdkörper. Ihr Einsatz endete 1973, und 1976 wurden sie an ein Touristikunternehmen verkauft. Bis 2003 liefen die Waggons unter wechselnden Eigen-tümern im Sonder- und Reisezugverkehr durch ganz Europa, ehe sie in Schweden abgestellt wurden. Zwischen 2004 und 2006 wurden vier Wagen an diverse Reiseveranstalter und Eisenbahnunternehmen in Deutschland und den Niederlanden verkauft, während der fünfte Wagen mit der Nummer 10555 von der Deutsche-Bahn-Stiftung erworben wurde. Die Trägerin des DB-Museums stellte den Neuzugang in der Außenstelle in Lichtenfels ab, die eigentlich geplante Aufarbeitung unterblieb aus Kostengründen.

Eine neue Perspektive ergab sich für den Panoramawagen erst mehr als zehn Jahre später: 2018 wurde er der Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt Coburg mbH (Wifög) für 20 Jahre als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Auf dem Gelände des ehemaligen Coburger Güterbahnhofs entsteht ein Neubauviertel für Kultur, Wissenschaft, Dienstleistung und Gewerbe. »Für das Areal waren wir auf der Suche nach einem alten Güterwaggon, aber von denen sind nur noch wenige auf dem Markt. Zufällig entdeckten mein Kollege vom Stadtplanungsamt, Joachim Träger, und ich dann diesen Panoramawaggon«, berichtet Rolf Krebs, der bei der Wifög für die Sanierung des Fahrzeugs verantwortlich ist.

Am 11. Mai 2017 kommt der Trans-Europ-Express-Panoramawagen 10555 in ziemlich desolatem Zustand im bayerischen Coburg an.

Am 11. Mai 2017 kommt der Trans-Europ-Express-Panoramawagen 10555 in ziemlich desolatem Zustand im bayerischen Coburg an.

Bereits am 11. Mai 2017 hatte Wagen 10555 seine vorerst letzte Reise angetreten: Auf der Schiene wurde er von Lichtenfels nach Coburg transportiert und mit zwei Kränen auf das Gelände gehoben. Hier steht der einstige Star der Schiene nun auf zwei kurzen Gleisstücken, die eigens für ihn an der Güterrampe verlegt wurden. Zunächst musste der Wagen aufwendig restauriert werden: »Der Waggon befand sich in einem absolut desolaten Zustand«, sagt Jochen Schäfer, Geschäftsführer der Korrosionsschutztechnik Buch GmbH, die mit der Oberflächenvorbereitung und Applikation der Beschichtungsstoffe beauftragt wurde. Der Einfluss mechanischer und thermischer Belastungen wie Kälte, Hitze, Feuchtigkeit und Wassereinfluss durch Regen, aber auch Vandalismus beschädigte die Sitzpolster und Holzvertäfelungen im Inneren. Zudem war die Elektronik defekt und veraltet. Der ohnehin durch die Jahre beschädigten Außenhülle setzte darüber hinaus eine luftundurchlässige Folie zu, mit der der Waggon in Schweden zu Werbezwecken vollständig abgeklebt gewesen war. »Aufgrund der sich darunter ansammelnden Feuchtigkeit hatten sich großflächige Korrosionsschäden gebildet. Und auch die Entfernung der Folie beschädigte den Stahl nochmals schwer«, berichtet Schäfer.

Ziel der Sanierung, die im September 2019 startete, war eine möglichst detailgetreue Aufarbeitung des historischen Wagens. Um eine langfristige Funktionsfähigkeit des zu applizierenden Beschichtungssystems zu gewährleisten, galt es im Vorfeld, die Stahloberfläche vorzubereiten – allein diese Arbeiten dauerten drei Wochen. In einem ersten Arbeitsschritt wurden zirka 150 Quadratmeter Stahlfläche mittels Sandstrahlen vorbereitet. Dabei wurden haftungsmindernde und korrosionsfördernde Verunreinigungen entfernt, sodass die Oberfläche frei von Öl, Fett und Schmutz war. Hierbei kamen über die gesamte Fläche Durchrostungen zum Vorschein, die von einer Schlosserei instandgesetzt werden konnten. Über dem Wagen wurde dafür eine wasser- und staubfreie Einhausung errichtet. »In einem zweiten Arbeitsgang haben wir den Waggon dann gesweept (eine besonders sanfte Variante des Sandstrahlens, Anmerkung der Redaktion), um den Flugrost, der sich in der Umgebung gebildet hatte, und die Fette, mit denen der Schweißer gearbeitet hatte, zu beseitigen«, erzählt Jochen Schäfer.

Die anschließende Beschichtung des Wagens erfolgte im -Airless-Verfahren in mehreren Arbeitsgängen: Für die Grund-beschichtung setzte Jochen Schäfers Team SikaCor Zinc R ein, eine zweikomponentige, hochpigmentierte und zinkstaubreiche Grundbeschichtung auf Epoxidharzbasis für Stahl. »SikaCor Zinc R bietet durch das metallische Zink einen sehr guten, aktiven Korrosionsschutz sowohl im atmosphärischen als auch im Unterwasserbereich«, erläutert Gerhard Reimann, Fachberatung und Verkauf bei der Sika Deutschland GmbH. »Mit dieser Art von Beschichtungsstoff kann im richtig gewählten System eine Schutzdauer von 25 Jahren und mehr erreicht werden.« Um die Gesamtschichtdicke und damit die Diffusionsbarriere für angreifende Stoffe weiter zu erhöhen, folgte die zweikomponentige, schnellhärtende, lösemittelarme und eisenglimmerhaltige Zwischenbeschichtung SikaCor EG-1 im Farbton DB 702. Durch den hohen Eisenglimmergehalt in der Beschichtung wird der Diffusionsweg zum Stahl durch die blättchenförmigen, meist horizontal orientierten Füllstoffe für Wasser, Sauerstoff und Elektrolyte deutlich erschwert. Als letzte Schicht applizierte das Team von Jochen Schäfer die farbgebende Deckbeschichtung SikaCor EG-5 in den Farbtönen RAL 3003, RAL 1001, RAL 9006, und RAL 9005 – damit leuchtet der Panoramawagen nun wieder in den TEE-Farben Rubinrot und Beige mit einem Dach in Weißaluminium und einer tiefschwarzen Schürze.

Zwischen 2019 und 2020 wurde aus dem fast 60 Jahre alten Waggon mit der großen Glaskuppel wieder ein Schmuckstück.

Zwischen 2019 und 2020 wurde aus dem fast 60 Jahre alten Waggon mit der großen Glaskuppel wieder ein Schmuckstück.

Die zweikomponentige Acryl-Polyurethan-Deckbeschichtung trägt durch ihre perfekt abgestimmte Füllstoffpackung noch einmal wesentlich zum Korrosionsschutz bei. Des weiteren bewahrt sie die Grund- und Zwischenbeschichtungen vor Witterungseinflüssen und mechanischen Verletzungen. »Mit den Produktsystemen von Sika arbeiten wir seit vielen Jahren. Grundierung und Beschichtung des SikaCor-EG-Systems sind optimal aufeinander abgestimmt, lassen sich hervorragend verarbeiten und sind sehr witterungsbeständig«, so Schäfer.

Die Instandsetzung des historischen TEE-Panoramawagens hat rund 150.000 Euro gekostet. Die Arbeiten konnten im Sommer 2020 weitgehend abgeschlossen werden, auch im Inneren wurde das Fahrzeug restauriert. Nun soll es für kleinere kulturelle Veranstaltungen wie Lesungen, Vorträge oder Versammlungen und Besprechungen genutzt werden.

Text: Tim Schulz und Ansel & Möllers GmbH, Fotos: Korrosionsschutztechnik Buch GmbH

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