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05.02.2007 • Bautzen: Das Straßenbahn-Kompetenzzentrum von Bombardier Transportation
Seit 2004 ist das Werk Bautzen im Bombardier-Konzern zentraler Fertigungsstandort
für die Division Light Rail Vehicles (LRV). Es wird ergänzt durch ein Montagewerk
in Wien, das bis Ende 2007 komplett neu entsteht. In Bautzen werden Straßen- und Stadtbahnen
für ganz Europa gefertigt, hinzu kommen vollautomatische Bahnen wie jene für die Londoner
Docklands Light Railway (DLR). Im März 2006 erhielt das Werk mit 146 Flexity-Swift-Stadtbahnen
für die Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main (VGF) den – gemessen an der Stückzahl
– bisher größten Auftrag seit seinem Bestehen als zentraler LRV-Fertigungsstandort.
Das Werk Bautzen kann auf eine rund 160-jährige Geschichte zurückblicken. 1846 wurde
es als »Eisengießerei und Maschinenbauwerkstatt von Petzold und Centner« mit 20 Beschäftigten
gegründet. Bereits 1897 beginnt die Fertigung von Straßenbahnen mit Lieferungen für
Bad Schandau, Plauen, Dresden, Zittau und Berlin, 1903 werden erstmals Straßenbahnen
nach Spanien, England und Südamerika geliefert. In den 1920er und 1930er Jahren entwickelt
sich das Werk Bautzen zur festen Größe im Waggonbau: Gefertigt werden alle Gattungen
von Personenwagen für die Deutsche Reichsbahn (DRG), Auslandsaufträge kommen unter
anderem aus Brasilien, Chile und Argentinien. Als neuer Produktionszweig kommen Verbrennungstriebwagen
hinzu, außerdem werden S- und U-Bahnen für Berlin und Hamburg montiert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg fällt das Werk unter die Verwaltung der sowjetischen Militäradministration,
die eine Enteignung und die Demontage zahlreicher Anlagen verfügt. Noch 1945 erfolgt
ein Neubeginn mit der Reparatur von Berliner S-Bahn-Wagen, Güterwaggons und Bussen.
1963 beschließt der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), dass sich das Werk
Bautzen auf die Produktion von Reisezugwagen konzentrieren soll. 1970 wird ein 24,5
Meter langer Wagen vom Typ Y/B70 entworfen, 1978 folgt der erste 26,4-Meter-Wagen
nach UIC-Norm.
Nach der politischen Wende 1989/90 bricht mit dem Ostmarkt das wichtigste Hauptabsatzgebiet
des Bautzener Werks weg. Doch zur selben Zeit kann die Deutsche Waggonbau AG (DWA),
in der die Betriebe aus dem DDR-Kombinat Schienenfahrzeuge aufgehen, mit der Modernisierung
von Straßenbahnen für Cottbus, Chemnitz, Potsdam und Berlin auch schon ein neues Produktfeld
erschließen. Ab 1993 werden in Bautzen in konsortialer Zusammenarbeit mit der damals
noch eigenständigen DUEWAG Düsseldorf wieder komplette Straßenbahnen hergestellt;
der niederflurige Typ 6NGTW geht nach Rostock, Leipzig, Dresden und Halle.
Im Februar 1998 kauft der kanadische Konzern Bombardier die DWA mit ihren drei Werken
in Ammendorf, Bautzen und Görlitz. Im Rahmen einer nun folgenden Restrukturierung
aller neuen und alten Bombardier-Produktionsstätten erhalten die Werke in Bautzen
und Wien den Status als Hauptstandorte für den Geschäftsbereich Straßen- und Stadtbahnen,
wobei sich Bautzen auf die Entwicklung und Fertigung dieser Fahrzeuge mit Wagenkästen
aus Stahl und Aluminium spezialisiert. So entstanden in den letzten Jahren in Bautzen
eine Montagestraße für Straßenbahnkopfmodule und ein so genannter Klebeverfahrenkomplex.
Auf diese Weise kann in Bautzen neben der 70-prozentigen Niederflurbahn vom Typ Flexity
Classic, die in geschweißter Stahlbauweise entsteht, auch der Typ Flexity Outlook
gefertigt werden, eine modular aufgebaute 100-Prozent-Niederflurbahn, deren Montagegruppen
in Stahl- und Aluminiumbauweise mit Schraub- und Klebeverbindungen zusammengefügt
werden.
Abgerundet wird das »Straßenbahnkompetenzzentrum« Bautzen durch eine neue, 800 Meter
lange Teststrecke, die zur 160-Jahr-Feier des Werkes am 22. September 2006 eingeweiht
wurde. Das in zwei Spurweiten von 1435 und 1000 Millimetern angelegte Gleis rundet
den seit 1994 eingerichteten Testkomplex ab, zu dem heute zwei Inbetriebnahmehallen
mit umfangreichen Prüfgleisen, Arbeitsgruben und Dacharbeitsständen gehören. Aufgrund
des begrenzten Platzes erreichen die Fahrzeuge das Testgleis nicht über eine Weichenanlage,
sondern über eine luftkissengesteuerte Schwenkbühne, die den kompletten Zug quasi
auf die Strecke »schiebt«. Am anderen Ende stellt eine Drehscheibe, die deutschlandweit
als die größte ihrer Art gelten darf, das Wenden von bis 45 Meter langen Straßenbahnen
sicher. Einrichtungsbahnen können auf diese Weise auch den »Rückweg« für eine Schnellfahrt
nutzen, außerdem kann so das Ankuppeln für den Mehrzugbetrieb bzw. das Abschleppen
im Notfall simuliert werden.
Den kompletten Artikel lesen Sie in Regionalverkehr 3-2007.
Erscheinungstag: 14.02.2007
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