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08.08.2016 • Unterwegs im Future Bus mit CityPilot
Ausgangspunkt ist die Bushaltestelle »Schalkwijk Centrum« der Airportlinie 300 zwischen
der Stadt Haarlem und der Metropole Amsterdam. Schalkwijk ist mit rund 30.000 Einwohnern
der größte Stadtteil von Haarlem. Die Airportlinie 300 verbindet Haarlem mit dem Flughafen
Schiphol und in ihrer Verlängerung mit Amsterdam. Die Linie ist beliebt, rund 125.000
Fahrgäste nutzen sie täglich, die Busse fahren im Abstand von wenigen Minuten. Die
Airportlinie 300 ist die längste BRT-Linie Westeuropas (Bus Rapid Transit). Über weite
Strecken verläuft sie über Brücken oder in Tunneln. In Städten und Ortschaften fahren
die Omnibusse meist ebenerdig, und die Trasse ist nicht kreuzungsfrei. Das ist mit
Blick auf autonomes Fahren eine Herausforderung – der Mercedes-Benz Future Bus mit
CityPilot meistert sie.
Der Busfahrer drückt links auf der Fensterbrüstung eine blaue Taste und aktiviert
damit den CityPilot. Voraussetzung: Er muss dabei den Fuß von Gas- oder Bremspedal
nehmen und darf nicht lenken, denn jede Fahreraktivität überlagert den CityPilot –
der Fahrer bleibt stets Herr des Verfahrens und kann die Kontrolle übernehmen. Im
Display hat gleichzeitig die Anzeige gewechselt. Die Schrift »Pilot« wird sichtbar,
die Geschwindigkeitsanzeige – bisher in einem Kreissegment und gleichzeitig digital
angezeigt – wird auf die Digitalanzeige reduziert.
Vor dem Bus leuchtet eine spezielle Ampel auf: Zwei rote Punkte nebeneinander bedeuten
auf der BRT-Linie Stopp, zwei weiße Punkte übereinander freie Fahrt. Die Ampel springt
auf Weiß, sanft setzt sich der Bus in Bewegung und ordnet sich wie von Geisterhand
in der Mitte seiner Spur ein. Stehende Passagiere können unbesorgt sein, dieser Bus
fährt stets fahrgastfreundlich defensiv, auch wenn der Fahrplan drücken sollte und
sich die Schicht nach einem langen Tag dem Feierabend nähert.
Die nächste Ampel steht auf Rot, der Omnibus nennt seinem Fahrer frühzeitig die Entfernung.
Die Stellung des Lichtsignals erkennt der CityPilot über sein aufwendiges Kamerasystem.
Es ist in einer Konsole unten an der Windschutzscheibe untergebracht. Die Technik
liegt innerhalb des Bereichs der Scheibenwischer sowie der Entfrostung, jedoch außerhalb
des unmittelbaren Sichtfelds des Fahrers. Weiter unten haben Radarsensoren ihren Platz.
Außerdem ist GPS an Bord. Kurz bevor der Bus stoppt, springt die Ampel um, prompt
gibt der Omnibus ganz automatisch Gas und rollt ohne Halt über die Kreuzung.
Erneut eine rote Ampel – sicher und sanft bremst der Omnibus ganz von alleine ab und
kommt zum Stehen. Während die Ampel umspringt, hasten noch schnell Fußgänger über
die Straße. Der Bus verharrt, lässt sie vorüber, wartet mit dem Anfahren, bis die
Fahrbahn frei ist. Seine Strecken sind im Bereich von Kreuzungen mit der Aufschrift
»Lijnbus« (Linienbus) gekennzeichnet, damit sich kein Autofahrer dorthin verirrt.
Weitere Ampeln, zwei Brücken, eine Unterführung. Der Omnibus hält sicher seine Spur.
Nach dem Ortsende beschleunigt er auf die erlaubten 70 km/h. Das Maximaltempo ist
programmiert, auch bei dieser Geschwindigkeit lenkt nicht der Fahrer. Die Strecke
ist wellig, es geht auf und ab, ebenfalls durch einen kurzen Tunnel. Unbeeinflusst
davon zieht der Bus seine Bahn, hält sich selbst mit kleinen Lenkbewegungen präzise
und zuverlässig in der Mitte seiner Spur. Bei Gegenverkehr durch manuell gesteuerte
Omnibusse nimmt der Fahrer kurz eingriffsbereit das Steuer in die Hand, so verlangen
es die Vorschriften.
Die erste Haltestelle heißt »Vijfhuizen«, der Bus fährt vorsichtig und ohne Zutun
des Fahrers heran, hält knapp am erhöhten Bordstein. Die niederländischen Busfahrer
können das ebenfalls, wie alle ihre Kollegen weltweit. Jedoch bekommen sie hier ein
Hilfsmittel in Form einer weißen Linie auf der Straße: Fahren sie genau darauf zu,
passt der Abstand zum Bordstein. Wenn es zu eng wird, schrammen die Reifen, deshalb
tragen Stadtbusreifen verstärkte Flanken. Ist der Abstand zu groß, haben Fahrgäste
Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen. Der Mercedes-Benz Future Bus mit CityPilot
aber benötigt weder großes Fahrerkönnen noch verstärkte Reifen – er fährt stets nach
Vorschrift und hält den gewünschten Abstand zum Fahrbahnrand auf seiner Strecke. Auch
die Aktionen an der Haltestelle sind automatisiert: Wenn der Bus angehalten hat, legt
er selbständig die Haltestellenbremse ein und öffnet die Türen. Mittels einer Lichtschranke
kann er erkennen, ob Fahrgäste einsteigen. Sind alle an Bord, werden die Türen geschlossen.
Dann läuft ein Countdown im Display des Fahrers, nach exakt fünf Sekunden legt der
Bus ab. Hier rollt er langsam nur wenige Meter vor, denn die nächste Ampel unmittelbar
an der Haltestelle steht auf Rot.
Die stets sanfte und schonende Fahrweise nach Vorschrift hat Methode, denn von ihr
profitieren nicht nur die Passagiere, sondern auch die Betreiber und die Umwelt. Kraftstoffverbrauch
und damit die Emissionen sinken, der Motor und Aggregate werden weniger beansprucht
und halten länger, ebenso die Reifen. Alles zusammen senkt langfristig die Kosten
und steigert die Verfügbarkeit der Omnibusse.
Auf der Airportlinie 300 folgen inzwischen weitere drei Ampeln, der Bus erkennt sie
und verhält sich ohne jedes Zutun des Fahrers korrekt entsprechend dem jeweiligen
Lichtsignal. Am Ortsende steigt die Fahrbahn an, die BRT-Linie führt über eine langgezogene
Brücke. Integriert ist eine leichte Rechtskurve, der Bus nimmt sie gelassen mit rund
65 km/h. Für die Kamera- und Radartechnik muss es in Kurven so aussehen, als würde
der Bus direkt auf Schilder oder andere Hindernisse zufahren. Doch kein Problem: Er
bewegt sich in einem sogenannten Fahrschlauch, auf Gegenstände abseits der Fahrbahn
reagiert der Bus nicht, er kann ein Hindernis auf der Fahrbahn von einem Hindernis
neben der Fahrbahn unterscheiden. Jetzt verläuft die Strecke fast schnurgerade und
ähnelt erneut einer Überlandstrecke, sie verläuft parallel zu einer Schnellstraße.
Bald darauf wird sie erhöht geführt. Nach einer leichten Linkskurve knickt die Fahrbahn
vor der Ortschaft Hoofddorp scharf nach links – eine Herausforderung für die Systeme
des CityPilot. Der Bus nimmt das Tempo auf etwa 40 km/h zurück und bewältigt diese
scharfe Kurve souverän.
Nun geht es durch Hoofddorp, mit gut 70.000 Einwohnern bildet dieser Stadtteil das
Zentrum der Stadt Haarlemmermeer. Haltestellen und Ampeln folgen dicht an dicht. Und
es gibt eine Besonderheit, im Bus werden die Vorzüge der Vernetzung deutlich: Omnibus
und Ampeln kommunizieren miteinander. Das Schlagwort dazu heißt Vehicle to Infrastructure,
V2I. Das funktioniert über WLAN auf eine Entfernung von bis zu rund 300 Metern. Die
Ampel teilt dem Bus ihr Signal mit, der Bus wiederum meldet seine Annäherung und passt
die Geschwindigkeit an die vorhersehbare Ampelschaltung an. Er verfügt über eine Vorrangschaltung
und verschafft sich seine »grüne Welle«. Nicht immer bekommt er automatisch sofort
freie Fahrt, denn wenn unmittelbar zuvor ein anderer Bus durchgefahren ist oder der
Querverkehr soeben »Grün« bekommen hat, würde eine sofortige Schaltung zu einem Verkehrsstau
führen. Aber Bus und Ampel passen sich durch ihre Kommunikation fließend an und ermöglichen
einen optimalen Verkehrsfluss.
Deshalb spielt es auch keine Rolle, dass sich in Hoofddorp eine Ampel kurz vor der
Haltestelle »Tolenburg« hinter einem Schild versteckt. Mit bloßem Auge ist sie schnell
übersehen, für die Kamerasysteme des Busses eine Herausforderung. Für den Kontakt
im Rahmen von V2I spielen derlei Handicaps aber keine Rolle: Dank der schnellen und
zuverlässigen WLAN-Verbindung kann auf jeden Sichtkontakt verzichtet werden. Gleiches
gilt für die beiden nebeneinanderliegenden Ampeln für unterschiedliche Fahrtrichtungen
nach der nächsten Haltestelle »Beukenhorst« – der CityPilot kennt keine Verwechslungsgefahr,
identifiziert stets das richtige Lichtsignal.
Zum letzten Halt in De Hoek fährt der Bus abermals auf einer erhöhten Fahrbahn, in
der Ferner ist bereits der Flughafen Schiphol sichtbar. In seine Richtung fährt der
Omnibus durch einen 1,7 Kilometer langen Tunnel – teilautomatisiert, ohne GPS-Signal,
allein durch seine Kamerasysteme geleitet. Er unterquert dabei einen Teil des Flughafens.
An der Haltestelle »Schiphol Handelskade« kommt er wieder an die Oberfläche – Ende
der faszinierenden, 19 Kilometer langen teilautomatisierten Fahrt in die Zukunft des
Citybusses. Jetzt muss wieder der Fahrer übernehmen.
Alle Bilder: Daimler Buses
Eine technische Beschreibung des Mercedes-Benz Future Bus lesen Sie in Regionalverkehr 5-2016,
Den kompletten Artikel lesen Sie in Regionalverkehr 05/2016.
Erscheinungstag: 08.08.2016
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