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25.02.2016 • Einzigartige Kombination
Die S-Bahn Berlin GmbH, eine 100-prozentige Tochter der Deutschen Bahn AG, bleibt
Betreiberin der Berliner Ringbahn. Am 21. Dezember 2015 erteilten die Länder Berlin
und Brandenburg dem Unternehmen den Zuschlag für das Teilnetz Ring/Südost, das im
Frühjahr 2013 ausgeschrieben worden war. Alle anderen Bewerber, darunter die französische
RATP, die britische National Express Group sowie MTR aus Hongkong, waren allerdings
schon im Lauf des Verfahrens nach und nach abgesprungen, sodass die Bahntochter als
einziger Kandidat übrig blieb. Der neue Verkehrsvertrag hat eine Laufzeit von 15 Jahren
und startet 2021. Der künftige Betreiber ist verpflichtet, auf allen Linien des Teilnetzes
Ring/Südost fabrikneue Fahrzeuge einzusetzen, mit denen die Fahrgastkapazität um 20 Prozent
gesteigert werden soll. Bereits am 22. Dezember 2015 hat die S-Bahn Berlin mit einem
Konsortium aus der Stadler Pankow GmbH und der Siemens AG einen Rahmenvertrag über
die Lieferung von bis zu 1380 Wagen abgeschlossen. Die ersten 106 Züge einer neuen
Generation – 21 zweiteilige Viertelzüge der Baureihe 483 und 85 vierteilige Halbzüge
der Baureihe 484, insgesamt 382 Wagen – wurden verbindlich bestellt. Ab 2020 werden
die ersten zehn Fahrzeuge im Einsatz sein. Anschließend sollen bis 2023 die übrigen
Züge auf die Gleise gebracht werden.
Ausschreibung mit strengen Vorgaben
Unterzeichnet wurde der neue Verkehrsvertrag für das Teilnetz Ring/Südost am 27. Januar
2016 im Rahmen einer Feierstunde im zentralen S-Bahn-Werk Schöneweide. Er ist als
Bruttovertrag ausgestaltet, das heißt die Fahrgelderlöse stehen den Ländern Berlin
und Brandenburg zu und reduzieren unmittelbar den zu zahlenden Zuschuss. Die Länder
werden somit künftig direkt von den Chancen der Nachfrageentwicklung profitieren,
allerdings auch deren Risiken tragen. Die S-Bahn Berlin hat bei der Erbringung der
Verkehrsleistung eine kontinuierlich hohe Qualität zu gewährleisten. Das Unternehmen
verpflichtet sich, die nachhaltige Instandhaltung der Fahrzeuge im Rahmen eines Langlebigkeitskonzepts
umfassend zu dokumentieren. Die Umsetzung dieser Vorgaben soll mit Beginn der Vertragslaufzeit
durchgehend von einer Controlling-Gruppe begleitet werden, in der jede Vertragspartei
vertreten ist. Damit reagieren die Auftraggeber auf die S-Bahn-Krise 2009/10, als
es – unter anderem infolge von Wartungsdefiziten – zum Ausfall eines Großteils aller
Züge kam. Die Nichteinhaltung von Vertragspflichten wird mit wirksamen finanziellen
Abzügen sanktioniert. Schließlich haben die Länder im Falle langanhaltender, einschneidender
Leistungsstörungen das Recht, den Vertrag außerordentlich zu kündigen. In diesem Fall
ebenso wie am regulären Vertragsende ist die S-Bahn verpflichtet, den Ländern bzw.
einem von den Ländern beauftragten Vertragspartner die Fahrzeuge für den Einsatz in
einem Folgevertrag gegen Zahlung eines festgelegten Kaufpreises zu übergeben. Der
Betrieb auf dem Teilnetz Ring/Südost soll – entsprechend der Auslieferung der Neufahrzeuge
– stufenweise aufgenommen werden: Am 1. Januar 2021 auf der S 47 Spindlersfeld – Tempelhof/Südkreuz
(– Bundesplatz), am 1. Juli 2022 auf der S 46 Königs Wusterhausen – Hauptbahnhof,
am 14. Oktober 2022 auf der S 8 (Wildau –) Grünau – Hohen Neuendorf sowie am 14. April
und am 13. Oktober 2023 auf den eigentlichen Ringstrecken S 41 (im Uhrzeigersinn)
und S 42 (entgegen dem Uhrzeigersinn).
Die neuen Fahrzeuge
»Siemens und Stadler bieten für die Zukunft der S-Bahn Berlin eine einzigartige Kombination
von Kompetenzen. Gemeinsam werden wir Fahrzeuge liefern, die über Jahrzehnte hinweg
mit höchster Zuverlässigkeit funktionieren und der technologischen Spitzenklasse angehören«,
sagte Sabrina Soussan, CEO des Geschäfts mit Hochgeschwindigkeits- und Regionalzügen
sowie Lokomotiven von Siemens. »Bei den ersten zehn Fahrzeugen handelt es sich um
Vorserien- und Probefahrzeuge. Sie durchlaufen umfangreiche Tests, bevor sie in den
regulären Fahrgastbetrieb gehen – so sollen mögliche Erkenntnisse aus dem Betrieb
in Berlin in die Serie mit eingebracht werden«, ergänzte Ulf Braker, Geschäftsführer
der Stadler Pankow GmbH.
Die zwei- und vierteiligen Triebzüge verfügen über ein futuristisches Design – besonders
ins Auge fällt die geneigte Kopfform mit der steiler gestellten Frontscheibe –, bleiben
aber weiterhin der vertrauten gelb-roten Farbgebung treu. Grundsätzlich werden alle
Fahrzeuge barrierefrei zugänglich sein. Sie erhalten unter anderem Vorrichtungen zur
Spaltverringerung an Bahnsteigen, Außenlautsprecher an den Türen, Informations- und
Kommunikationsmöglichkeiten nach dem Zweisinneprinzip sowie groß dimensionierte Mehrzweckabteile
mit zwei Rollstuhlplätzen pro Viertel- und vier Rollstuhlplätzen pro Halbzug. Zur
Erhöhung der objektiven und subjektiven Sicherheit wird der Innenraum videoüberwacht.
Eine noch einzurichtende Sicherheitszentrale kann sich bei Bedarf auf die Videokameras
aufschalten. Fahrgäste können zudem über mobile Endgeräte einen stillen Serviceruf
absenden und damit Sicherheitspersonal direkt in den Wagen rufen.
Die Fahrzeugtechnik ist »erstfehlertolerant«: Die Leistungsreserven der Züge sind
groß genug, um auch bei Ausfall einzelner Teile noch einen zuverlässigen Betrieb zu
gewährleisten. Jeder Wagen verfügt beispielsweise über einen eigenen Traktionsstromrichter,
der drei der vier Radsätze des jeweiligen Wagens antreibt. Damit verkraftet der vierteilige
Halbzug den Ausfall eines seiner vier Traktionsstromrichter ohne wesentliche Einschränkungen
im Fahrplaneinsatz. Darüber hinaus verfügt der Halbzug über zwei Hilfsbetriebeumrichter,
sodass bei Ausfall eines der beiden Geräte zumindest ein komforteingeschränkter Weiterbetrieb
möglich ist.
Der Konsortialführer Stadler übernimmt den mechanischen und wagenbaulichen Teil der
Konstruktion und Fahrzeugproduktion. Darunter fallen beispielsweise die Klimatisierung
und die Montage aller Komponenten. Siemens verantwortet den elektrischen Anteil, der
das Antriebs- und Bremssystem, die Bordnetzversorgung, Fahrzeugsteuerung, Zugsicherungs-
und Fahrgastinformationssystem sowie die Drehgestelle umfasst. Produziert und endmontiert
werden die Triebzüge im Berliner Stadler-Werk.
Die neuen Einheiten ersetzen die bestehenden Flotten der Baureihen 480 und 485. Die
480er waren noch von der BVG geordert worden, die das Westberliner S-Bahn-Netz von
1983 bis 1993 betrieb. Zwischen 1986 und 1994 wurden 85 Viertelzüge geliefert. Von
der Baureihe 485 hatte die damalige Deutsche Reichsbahn ab 1987 insgesamt 170 Viertelzüge
bestellt, von denen heute noch 20 modernisierte Einheiten im Einsatz sind.
Abbildungen: Stadler Pankow / Design: Büro+staubach Berlin
Den kompletten Artikel lesen Sie in Regionalverkehr 02/2016.
Erscheinungstag: 25.02.2016
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