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23.02.2018 • Die neue Aarhus Letbane
Rund 45 Jahre lang fuhr in Dänemark keine Straßenbahn mehr: Bereits am 1. Juli 1952
wurde die Tram in der Stadt Odense auf Fünen eingestellt, am 7. November 1971 folgte
der Betrieb im jütländischen Aarhus, und am 22. April 1972 rollte die letzte Bahn
durch die Hauptstadt Kopenhagen. Das änderte sich am 21. Dezember 2017: An diesem
Tag wurde in Aarhus das erste Teilstück einer neuen Stadtbahn (Letbane) in Betrieb
genommen. Ursprünglich war die Eröffnung bereits für den 23. September 2017 geplant,
musste wegen fehlender Genehmigungen der staatlichen Verkehrsbehörde Trafikstyrelsen
jedoch verschoben werden. Betreiber der Aarhus Letbane ist Keolis Danmark, ein Tochterunternehmen
der französischen Staatsbahn SNCF, das in Dänemark zahlreiche Buslinien in Kopenhagen,
Odense und Nordjütland bedient. Die neuen Straßenbahnen sind unter dem Logo der Verkehrsgesellschaft
Midttrafik unterwegs, die in der Region Mitteljütland für die Bestellung und Fahrplangestaltung
von Bussen und Bahnen verantwortlich ist. Werktags wird auf dem ersten Teilstück der
Letbane, der zehn Kilometer langen Verbindung vom Hauptbahnhof zum Universitätskrankenhaus,
alle zehn Minuten gefahren, abends und sonntags im Viertelstundentakt. Bis Ende des
Jahres soll die Aarhus Letbane bis Lisbjergskolen, Lystrup und Grenaa im Norden und
Odder im Süden verlängert werden. Dabei werden zwei Nebenbahnen mitbenutzt, die elektrifiziert
und teilweise zweigleisig ausgebaut wurden.
Erste Ausbaustufe
In der ersten Ausbaustufe, die bis Ende 2018 schrittweise in Betrieb gehen soll, umfasst
die Aarhus Letbane zwei Linien. Eher einer Vorortbahn gleicht die Linie L1, die von
Odder im Süden über den Hauptbahnhof Aarhus und Lystrup nach Grenaa im Norden führt.
Die neue Verbindung verknüpft die beiden Nebenbahnen von Aarhus Hauptbahnhof nach
Odder und Grenaa miteinander, auf denen im Lauf des Jahres 2016 der reguläre Zugverkehr
der dänischen Staatsbahn DSB eingestellt und durch Busse ersetzt wurde. Beide Nebenbahnen
wurden saniert und teilweise zweigleisig ausgebaut, elektrifiziert und mit neuen Bahnsteigen
ausgestattet. Für den Abschnitt zwischen Ryomgård und Grenaa sind zahlreiche Streckenbegradigungen
vorgesehen, um hier die Höchstgeschwindigkeit auf 100 Stundenkilometer zu erhöhen.
Zweite Strecke der Letbane ist die Linie L2, deren erstes Teilstück bis zum Universitätskrankenhaus
bereits in Betrieb genommen wurde. Zurzeit beginnt sie noch am Hauptbahnhof, soll
später aber ebenfalls in Odder starten. Kurz hinter dem Hauptbahnhof, nach der Haltestelle
Skolebakken, zweigt die Linie L2 in westlicher Richtung von der Linie nach Grenaa
ab. Auf einer komplett neu errichteten Trasse führt sie zum Krankenhaus und weiter
nach Lisbjergskolen und Lystrup. In Lystrup treffen die Linien L2 und L1 wieder zusammen.
Anders als die Äste nach Odder und Grenaa hat die Linie L2 zwischen Skolebakken und
ihren beiden nördlichen Endpunkten eher den Charakter einer klassischen Straßenbahn:
Die zweigleisige Trasse ist begrünt und verläuft meist in Mittel- oder Seitenlage
von Straßen.
Insgesamt wird das Netz der Aarhus Letbane nach Inbetriebnahme der ersten Ausbaustufe
knapp 110 Kilometer lang sein. 97 Kilometer misst allein die Verbindung von Odder
über Aarhus nach Grenaa auf den vorhandenen Bahngleisen. Erweiterungen sind bereits
geplant: So soll die Linie L2 von Lisbjergskolen über Søften nach Hinnerup verlängert
werden, wo die Trasse auf die DSB-Hauptstrecke Aarhus – Randers – Aalborg trifft,
und von Aarhus Hauptbahnhof soll ein komplett neuer Ast in westlicher Richtung in
den Stadtteil Braband führen.
Die neuen Stadtbahnen
Für die Aarhus Letbane wurden nach einer europaweiten Ausschreibung bei Stadler Rail
14 Straßenbahnen des Typs Variobahn sowie zwölf Stadtbahnen des Typs Tango bestellt.
Die Tango-Stadtbahnen, die eine Höchstgeschwindigkeit von 100 Stunden-kilometern erreichen,
sind für die Vorortbahn L1 bestimmt. Die Variobahnen kommen auf der L2 zum Einsatz,
wobei zwischen Odder und Hauptbahnhof ebenfalls 30 Kilometer im Vorortverkehr zurückgelegt
werden.
Bei den Variobahnen handelt es sich um fünfteilige Zweirichtungszüge mit einer Länge
von 32,6 Metern und einer Breite von 2,65 Metern. Die modular aufgebauten Einheiten
setzen sich aus drei Fahrwerks- und zwei dazwischen eingehängten Sänftenmodulen zusammen.
Die Wagenkästen bestehen aus nichtrostendem Edelstahl mit geklebten Außenverkleidungen.
Auf jeder Seite gibt es im ersten, zweiten und vierten Modul jeweils eine große Doppelschiebetür,
im fünften Modul eine einfache Schiebetür, die sich mit Leuchtdrucktastern der Baureihe 56
des Herstellers EAO öffnen lassen. Der Fahrgastraum der Variobahnen, die über acht
Antriebsmotoren mit einer Leistung von jeweils 45 Kilowatt verfügen, ist zu 100 Prozent
niederflurig. Der Stromabnehmer sitzt auf dem mittleren Fahrwerksmodul. Die Fußbodenhöhe
beträgt 38,5 Zentimeter, die an den Einstiegen auf 35 Zentimeter absinkt. In jeder
Variobahn können bis zu 216 Fahrgäste befördert werden, 84 davon sitzend. Die Einzelsitze
sind in Reihen- und Vis-à-vis-Anordnung montiert. Große Mehrzweckzonen in den Sänften-modulen
bieten viel Platz für Rollstuhlfahrer und Reisende mit Kinderwagen und Fahrrädern.
Der klimatisierte Innenraum ist videoüberwacht. Darüber hinaus haben die Variobahnen
eine moderne LED-Beleuchtung, deren Helligkeit sich automatisch dem Tageslicht anpasst.
Klimatisiert sind auch die Fahrerräume, die vom Fahrgastraum durch eine Glaswand abgetrennt
sind. Die Cockpits sind mit einer modernen, bildschirmgestützten Fahrzeugsteuerung
ausgestattet. Anstelle von Außenspiegeln kommen Kameras zum Einsatz, die ihre Bilder
ins Cockpit übertragen, sodass der Fahrer die Türbereiche im Blick hat. Die Höchstgeschwindigkeit
beträgt 80 Stundenkilometer.
Die Tango-Stadtbahnen für die Linie L1 sind als dreiteilige Zweirichtungsbahnen mit
einer Länge von 40 Metern und einer Breite von 2,65 Metern ausgeführt. Der Mittelwagen
läuft auf zwei Fahrwerken. Die Endwagen verfügen über jeweils nur ein Fahrwerk im
Kopfbereich und stützen sich an den Übergangs-enden auf dem Mittelwagen auf. Für einen
besseren Reisekomfort sind die 100 Stundenkilometer schnellen Züge mit luftgefederten
Trieb- und Laufdrehgestellen ausgestattet. Die Antriebsleistung beträgt insgesamt
440 Kilowatt. Wie die Variobahnen sind auch die Tango durchgehend niederflurig bei
einer Fußbodenhöhe von 39 Zentimetern. Auf jeder Fahrzeugseite sorgen drei Doppeltüren
für einen schnellen Fahrgastwechsel. Insgesamt können 256 Fahrgäste befördert werden,
108 davon sitzend. Die Züge sind mit gepolsterten Einzelsitzen in Reihen- und Vis-à-vis-Anordnung
ausgestattet, im Mittelwagen steht eine große Mehrzweckzone mit Klapp-sitzen zur Verfügung.
Der Innenraum und die Fahrerkabine sind klimatisiert. Die ersten Wagen werden seit
2017 auf bereits fertiggestellten Abschnitten der L1 erprobt.
Mit der Aarhus Letbane unterwegs
Im Aarhuser Hauptbahnhof wartet die Letbane zum Universitätskrankenhaus an Gleis 1
auf die Abfahrt. Auf dem Areal des ehemaligen Hausbahnsteigs, der bisher von der Eisenbahn
genutzt wurde, entstand eine moderne Stadtbahnstation mit zwei Gleisen. Neu angelegt
wurden das Gleis 0 sowie ein barrierefreier Mittelbahnsteig mit taktilem Leitsystem,
von dem stufenfrei in die Letbane eingestiegen werden kann.
Die Linie L2 verlässt den Hauptbahnhof in östlicher Richtung. An der Haltestelle Dokk1,
die unter dem gleichnamigen, 2015 eröffneten Kulturzentrum liegt, folgen die Gleise
der neu gestalteten Hafenfront. Die bisher eingleisige Bahnstrecke nach Grenaa verschwand
hier unter einer zweigleisigen Straßenbahntrasse mit Rillengleisen, die mit Natursteinen
oder hellen Betonplatten ausgekleidet sind. Auch künftig können auf der Strecke noch
Güterzüge verkehren: Das Richtungsgleis nach Grenaa kann auch von der Eisenbahn befahren
werden – hierzu wurden die Oberleitungsmasten mit einem größeren Abstand zur Gleismitte
aufgestellt, außerdem können die Bahnsteigkanten in Metallausführung für die Durchfahrt
von breiteren Güterzügen hochgeklappt werden. Hinter der Haltestelle Skolebakken verlässt
die Linie L2 den Hafen und zweigt nach links in die vierspurige Straße Nørreport ab.
In Mittellage der Straße und auf Rasengleisen geht es in rascher Fahrt zur Universität
hinauf. Die Haltestellen sind entsprechend der Platzverhältnisse mit Seiten- oder
Mittelbahnsteigen ausgestattet. Durchsagen und elektronische Anzeigen informieren
über den Fahrtverlauf sowie über die nächste Station. Die Linie L2 endet an der dreigleisigen
Station Universitetshospitalet; am Mittelbahnsteig kann die Letbane zur Fahrt zurück
zum Hauptbahnhof wenden.
Schon auf ihrem ersten Teilstück ist die Aarhus Letbane im dichten Taktverkehr unterwegs.
Als nächstes sollen die Abschnitte vom Hauptbahnhof nach Odder sowie vom Universitätskrankenhaus
nach Lisbjergskolen und Lystrup in Betrieb gehen. Nachzügler ist die Vorortlinie L1
Odder – Aarhus Hauptbahnhof – Grenaa, die nach derzeitigem Stand im Lauf des zweiten
Halbjahres 2018 eingeweiht wird. Mit der Aarhus Letbane sollen vor allem die Autofahrer
zum Umsteigen auf die Schiene bewegt werden, um das Stadtzentrum vom Individualverkehr
zu entlasten. An den Endstationen bzw. an zahlreichen außerhalb des Stadtgebiets liegenden
Haltestellen wurden großzügige Park-and-Ride-Anlagen errichtet.
Schon jetzt wird an eine Ausweitung der Verkehre auch auf andere Eisenbahnstrecken
gedacht: So sollen die Stadtbahnen über Lisbjergskolen und Hinnerup hinaus auf Fernbahngleisen
bis Randers verkehren. Hierfür müssten dann aber mehrsystemfähige Stadtbahnen angeschafft
werden. Die DSB plant in den kommenden Jahren unter anderem eine Elektrifizierung
der Hauptstrecke (Kopenhagen –) Fredericia – Aarhus – Randers – Aalborg, sodass die
Arhus Letbane ihre Energie aus einer Wechselstromleitung beziehen müsste. Das bisherige
Letbane-Netz verläuft – auch im Bereich des Aarhuser Hauptbahnhofs – separat von den
Fernbahngleisen und ist mit 750 Volt Gleichstrom elektrifiziert.
Rückblick
Noch heute gibt es Spuren der ersten elektrischen Straßenbahn in Aarhus, die von 1904
bis 1971 auf einem nur wenige Kilometer langen Netz verkehrte. Im Straßenbahnmuseum
Skjoldenæsholm, das etwa 65 Kilometer südwestlich von Kopenhagen liegt, blieben mehrere
Trieb- und Beiwagen erhalten. Sie sind betriebsfähig und fahren auf einem wenige hundert
Meter langen Rundkurs (weitere Infos: www.sporvejsmuseet.dk). Eine Rückkehr nach Aarhus
und Fahrten auf der neuen Letbane sind allerdings ausgeschlossen: Die frühere Århus
Sporveje war meterspurig, die Aarhus Letbane verkehrt auf Normalspurgleisen.
Den kompletten Artikel lesen Sie in Regionalverkehr 02/2018.
Erscheinungstag: 23.02.2018
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