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31.08.2018 • Die neue Berliner S-Bahn
In großen Schritten gehen die ersten S-Bahnen der Baureihe 484 ihrer Fertigstellung
entgegen. Am 22. Dezember 2015 hatte die S-Bahn Berlin GmbH, ein 100-prozentiges Tochterunternehmen
der Deutschen Bahn AG, mit einem Konsortium aus der Stadler Pankow GmbH und der Siemens
AG einen Rahmenvertrag zur Lieferung von bis zu 1380 Wagen abgeschlossen. Verbindlich
bestellt sind zunächst 106 Züge, die sich aus 21 zweiteiligen Viertelzügen der Baureihe 483
sowie 85 vierteiligen Halbzügen der Baureihe 484 zusammensetzen (insgesamt 382 Wagen).
Bereits im Oktober 2017 war der erste, im Stadler-Werk in Ungarn gefertigte Wagenkasten
zur Montage bei Stadler in Berlin-Pankow eingetroffen. Seitdem laufen die technische
Ausrüstung und der Innenausbau der rot-gelb lackierten Wagenkästen auf Hochtouren.
Ende Juni 2018 wurde der erste fertig montierte Halbzug im Rahmen einer Pressekonferenz
vorgestellt. Aus eigener Kraft fahren konnte der Zug zu diesem Zeitpunkt aber noch
nicht. Im Juli wurde er deshalb an den Stadler-Standort nach Velten überführt, wo
die Inbetriebsetzung erfolgt. Dieser Schritt umfasst alle Tätigkeiten, die notwendig
sind, um das fertig montierte Schienenfahrzeug in einen betriebsbereiten Zustand zu
versetzen. Im Anschluss daran wird die erste S-Bahn im Siemens-Prüfcenter für Schienenfahrzeuge
in Wegberg-Wildenrath erwartet – hier soll der Zug unter Real- und simulierten Extrembedingungen
auf Herz und Nieren geprüft werden und anschließend seine Zulassungsfahrten absolvieren.
Davor wird die neue Baureihe 484 aber noch auf der InnoTrans 2018 zu erleben sein.
Die ersten Fahrten von zunächst zehn Testzügen in Berlin sind für Anfang 2021 geplant,
ehe bis 2023 die übrigen Züge auf die Gleise gebracht werden.
Fahrzeugtechnik
Die S-Bahn Berlin investiert in die neuen Triebzüge und die notwendige Anpassung der
Werkstatt in Grünau rund 900 Millionen Euro. Der Konsortialführer Stadler ist hauptsächlich
für die mechanischen Komponenten wie Wagenkasten, Innenausbau (Wände, Fußboden, Decken),
Sitze, Türen, und die Klimaanlagen verantwortlich. Siemens liefert die wesentlichen
elektrischen Komponenten wie beispielsweise Antriebsstromrichter, Hilfsbetriebsumrichter,
die Leittechnik des Fahrzeuges, Fahrgastinformationssysteme sowie die Drehgestelle
und das Bremssystem.
Die zwei- und vierteiligen Einheiten verfügen über ein futuristisch anmutendes Design,
bei dem besonders die geneigte Kopfform mit der steiler gestellten Frontscheibe ins
Auge fällt. Durch die große Panoramascheibe ergeben sich für den Triebfahrzeugführer
beste Sichtverhältnisse. Die Führerstände verfügen über separate Türen, unmittelbar
danach folgt der erste Fahrgasteinstieg. Alle Wagen sind durchgehend barrierefrei
zugänglich. Sie haben unter anderem Vorrichtungen zur Spaltverringerung an den Bahnsteigen,
Außenlautsprecher an den Türen, Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten nach
dem Zweisinneprinzip sowie groß dimensionierte Mehrzweckabteile mit zwei Rollstuhlplätzen
pro Viertel- und vier Rollstuhlplätzen pro Halbzug.
Auch von innen können sich die vier Wagen des erstes Halbzuges 484 001 sehen lassen:
Sie verfügen über blaue Polstersitze mit schwarzer Musterung, Haltestangen und Wandverkleidungen
in hellem Grau. Auffällig sind die großen Panoramafenster sowie die großzügigen Mehrzweckzonen
für Reisende mit Kinderwagen, Fahrrad oder viel Gepäck. Zum deutlich gesteigerten
Fahrgastkomfort gehört auch das dynamische Fahrgastinformationssystem mit Flachbildschirmen
in jedem Wagen. Eine übersichtliche Perlschnurgrafik mit dynamischem Linienband, das
die Stationen sowie aktuelle Anschlussmöglichkeiten und Verspätungen anzeigt, informiert
die Passagiere über den Fahrtverlauf.
Laut Herstellerkonsortium ist die Fahrzeugtechnik »erstfehlertolerant«: Die Leistungsreserven
der Züge sind groß genug, um auch bei Ausfall einzelner Teile noch einen zuverlässigen
Betrieb zu gewährleisten. Jeder Wagen verfügt beispielsweise über einen eigenen Traktionsstromrichter,
der drei der vier Radsätze des jeweiligen Wagens antreibt. Damit verkraftet der vierteilige
Halbzug den Ausfall eines seiner vier Traktionsstromrichter ohne wesentliche Einschränkungen
im Fahrplaneinsatz. Darüber hinaus verfügt der Halbzug über zwei Hilfsbetriebeumrichter,
sodass bei Ausfall eines der beiden Geräte zumindest ein komforteingeschränkter Weiterbetrieb
möglich ist. Jeder einzelne Umrichter besteht aus zwei Leistungsbauteilen mit jeweils
halber Leistung, damit bei einem Ausfall noch immer eine Teilverfügbarkeit gewährleistet
bleibt. Zur besseren Verfügbarkeit tragen auch die Bauprinzipien der Leistungselektronik
bei, die insbesondere für den Einsatz im Winter optimiert wurde.
Einsatzgebiet
Die neuen Baureihen 483 und 484 sollen auf dem Teilnetz Ring/Südost zum Einsatz kommen,
das im Frühjahr 2013 ausgeschrieben worden war. Am 21. Dezember 2015 hatten die Länder
Berlin und Brandenburg dem bisherigen Betreiber, der S-Bahn-Berlin GmbH, den Zuschlag
erteilt. Der neue Verkehrsvertrag hat eine Laufzeit von 15 Jahren und startet 2021.
Der Betrieb auf dem Teilnetz Ring/Südost soll – entsprechend der Auslieferung der
Neufahrzeuge – stufenweise aufgenommen werden: Am 1. Januar 2021 auf der S 47 Spindlersfeld
– Tempelhof/Südkreuz (– Bundesplatz), am 1. Juli 2022 auf der S 46 Königs Wusterhausen
– Hauptbahnhof, am 14. Oktober 2022 auf der S 8 (Wildau –) Grünau – Hohen Neuendorf
sowie am 14. April und am 13. Oktober 2023 auf den eigentlichen Ringstrecken S 41
(im Uhrzeigersinn) und S 42 (entgegen dem Uhrzeigersinn).
Neben der S-Bahn Berlin zeigt Stadler auf dem Freigelände InnoTrans sechs weitere
Neuheiten, die zusammen über 500 Meter Ausstellungsgleis einnehmen.
Fotos: Stadler Pankow GmbH
Den kompletten Artikel lesen Sie in Regionalverkehr 05/2018.
Erscheinungstag: 31.08.2018
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